Sonderausstellung

 Brückenhofmuseum

Dachkammer des Pfarrhauses diente als Zuflucht
GESCHICHTE
Der Heimatverein lässt Zeitzeugen über das jüdische Leben in Königswinter während des Nationalsozialismus berichten. “Wenn du dieses Buch aufhebst, komme ich ins Gefängnis”

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Freundin: Anemarie Ohlert erzählt von Liselotte Sussmann.       FOTO: HOMANN

Von
Guido Krawinkel

KÖNIGSWINTER.
„Die Zeit läuft", brachte es Lothar Vreden, Vorsitzender des Heimatvereins Oberdollendorf und Römlinghoven, auf den Punkt. Erinnerungen verblassen, Zeitzeugen sterben und historische Ereignisse geraten somit in Vergessenheit.

Aus diesem Grund hatte der Heimatverein zu einem Abend mit Zeitzeugen eingeladen, die vom jüdischen Leben in Königswinter während der Zeit des Nationalsozialismus berichten sollten. Ins Oberdollendorfer Weinhaus Lichtenberg waren viele - nicht nur Zeitzeugen - gekommen, sondern interessierte Bürgerinnen und Bürger, denen in exemplarischer Weise ein Stück erlebte Heimatgeschichte geboten wurde. So etwa von Annemarie Ohlert, die von ihrer Freundin Lieselotte Sussmann berichtete. Auf der Flucht hatte sie mit ihrer Familie sieben Monate in einer Dachkammer des evangelischen Pfarrhauses in Königswinter Zuflucht gefunden, schließlich hauste sie die letzten Wochen bis Kriegsende im Godesberger Bunker. Oder Helene Brase, die unter anderem von ihren Erlebnissen nach der Reichskristallnacht im November 1938 erzählte. Als sie ein Buch aufheben wollte, das nach den Bücherverbrennungen in jener Nacht noch auf der Straße lag, habe ihre Mutter nur geantwortet: „Wenn du dieses Buch aufhebst, komme ich ins Gefängnis."

So bedrückend solche Erlebnisse auch gewesen sind, berichteten alle Zeitzeugen des Abends doch über einstimmend von dem guten nachbarschaftlichen Verhältnis, das zu den jüdischen Mitbürgern geherrscht hat. So auch Wilfried Lachart, der zahlreiche Anekdoten und Geschichten zu Dollendorfer Originalen beisteuerte, und Theo Unkelbach, der von der Familie Bähr erzählte, die mit seiner Familie eng befreundet war. Nachdem die Familie Bähr ihr Haus an der Friedenstraße zwangsweise verkaufen musste, war er als Bankangestellter es, der das auf einem Sperrkonto deponierte Geld, von dem monatlich eine bestimmte Summe zur Verfügung stand, auszahlen musste. Später verbot ihm der Bankdirektor dabei sogar rigoros, mit seinem Freund noch ein kleines „Verzällchen" zu halten.

Zahlreiche Erinnerungen steuerten auch Erika und Karl Schumacher bei: vom Katechismusunterricht bei dem damaligen Pfarrer Polster, der es nur in subtilen Anspielungen wagte, die Nazis zu kritisieren, oder die von Liesel Hoitz aufgezeichnete Geschichte der „Oma Levi", die von den Nazis eines Tages von der Gestapo abgeholt und ins Konzentrationslager gesteckt wurde, wo sie vermutlich auch umgekommen ist.

Außerdem erzählten Dieter Mechlinski und Helmut Vreden von ihren Nachforschungen zum Geheimen Regierungsrat Ottmar Strauss und Jüdischen Metzgern und Viehhändlern in Oberkassel, die auch in schriftlicher Form als kleines Heftchen festgehalten sind.

Den Bogen zur heutigen Zeit schlugen Gabriele Wasser und Eli Harnik von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Bonn, die Hintergründe zu
jüdischen Traditionen und Bräuchen beisteuerten. Insgesamt ergab sich so ein facettenreiches Bild, das, so Vreden, dazu beitragen soll, dass das „Gedenken an die Reichskristallnacht nicht eine reine Nostalgieveranstaltung wird".

Es sei wichtig, die Erinnerung wach zu halten, gerade auch vor dem Hintergrund, dass es auch heute vergleichbaren Terror gebe. Weitere Veranstaltungen des Heimatvereines zu dieser Thematik sind das Channukka-Fest, das am 17. Dezember von 14 bis 17 Uhr im Brückenhofmuseum gefeiert wird, und die für Mitte 2007 geplante Verlegung der ersten „Stolpersteine" des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Die in die Gehwege eingelassenen Pflastersteine, die bereits in vielen Städten Deutschlands verlegt wurden, sollen an jüdische Mitbürger erinnern, die während der Nazi-Diktatur umgekommen sind.

Quelle: General-Anzeiger vom 29.11.2006