Sonderausstellung

 Brückenhofmuseum

Er durfte nicht am Beethoven-Gymnasium bleiben
ZEITZEUGE
Die Sonnenhügel-Viertklässler reagieren bestürzt auf Günther Steegs Schilderungen. Der 77-Jährige Oberdollendorfer erzählt im Brückenhofmuseum, wie es seiner Familie während der Nazidiktatur erging

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Aufmerksame Zuhörer: Die Oberpleiser Grundschüler im Brückenhof mit Günther Steeg.                        FOTO: FRANK HOMANN

Von
Roswitha Oschmann

OBERDOLLENDORF.
Die Mädchen und Jungen hocken still auf dem Boden. Auf ihren Gesichtern zeichnet sich Bestürzung ab. Sie besuchen die vierte Klasse der Katholischen Grundschule Sonnenhügel in Oberpleis. Nach den Ferien werden sie auf weiterführende Schulen wechseln. Und nun berichtet ihnen ein älterer Herr, der ihr Großvater sein könnte, etwas Ungeheuerliches. „Ich durfte nicht am Beethoven-Gymnasium bleiben", sagt Günther Steeg, „weil meine Mutter Jüdin war."

Der 77-jährige Oberdollendorfer erzählt im Brückenhofmuseum, wie es seiner Familie ergangen war in der Nazidiktatur, er spricht von der Metzgerei des Opas, in der keiner mehr einkaufen durfte, und er schildert diese furchtbaren Minuten im Juli 1942, als die Großmutter von den Schergen abgeholt wurde. „Wir haben nie mehr etwas von ihr gehört. Bereits zwei Wochen später wurde sie im KZ Theresienstadt umgebracht, wie ich unlängst erfuhr." Damals war Günther Steeg zwölf Jahre alt.

Kaum älter als seine jungen Zuhörer, die mit ihrer Klassenlehrerin Barbara Reichelt die Ausstellung „Jüdisches Leben" im Museum des Oberdollendorfer Heimatvereins
besuchen. Jonas Braun (9) ist erschüttert: „Das ist unfassbar und furchtbar traurig." Sein Klassenkamerad Jan Metzner (10): „Was Herr Steeg erlebt hat, ist schrecklich." Die Kinder müssen natürlich an die eigenen Großeltern denken. Und sie versuchen sich vorzustellen, wie Günther Steeg und seine Mutter Martha in einem Versteck die Schreckensherrschaft überlebten.

Mit dem Oberdollendorfer haben sie nun einen Zeitzeugen aus ihrer Heimat vor sich. Im Unterricht hatten sie sich in den letzten Wochen bereits sehr intensiv mit dem Judentum beschäftigt, und natürlich erfuhren sie in diesem Zusammenhang auch, was es in der Hitlerzeit bedeutete, ein Jude zu sein: „Was haben Sie denn gefühlt?" fragt eine Schülerin. „Ich wusste, was geschieht", antwortet Steeg, der auch auf einige Mitbürger verweisen kann, die halfen, die heimlich Lebensmittel brachten oder Unterschlupf boten.

„Das war ein großes Wagnis", sagt Lehrerin Reichelt. Und Lothar Vreden, der Heimatvereinsvorsitzende, legt den Kindern ans Herz: „Es ist wichtig, gegen die Angst anzukämpfen, Mut zu haben." Einige der Schüler waren dabei, als vergangene Woche zum Gedenken an Steegs Großmutter Karoline Levy ein Stolperstein vor ihrem Haus gelegt wurde. Lothar Vreden erläutert den jungen Besuchern, wie das mit diesen Erinnerungssteinen weitergehen soll. Für die Mitglieder der Familie Cohn aus Quirrenbach, die ebenfalls im KZ umkamen, wird Künstler Gunter Demnig im kommenden Jahr die nächsten Steine anfertigen. Dazu möchte der Aktionskreis Paten gewinnen und Geld sammeln. Dann weist Vreden auf eine Vitrine mit einem Teeservice, Präsent des einstigen jüdischen Besitzers vom Jugendhof Rheinland-Gebäude für einen Bediensteten. Darunter eine Tortenplatte, die das Ehepaar Levy Nachbarn zur Hochzeit geschenkt hatte, und eine Stickerei von Olga Süskind aus dem Jahre 1882. „Sie besuchte die Volksschule am Rennenberg. Damals gingen alle gemeinsam zur Schule", erläutert Vreden mit Blick auf Steegs bittere Erfahrungen Jahrzehnte danach. Ein Foto mit St. Hubertus-Schützen und ihrem jüdischen Schützenkönig Paul Süskind aus dem Jahr 1932 gibt ebenfalls einen Hinweis auf Normalität. Barbara Reichelt zu ihren Viertklässlern: "Das waren Deutsche wie du und ich; sie unterschieden sich nur in ihrer Religion." Danach ein Rundgang durch die Ausstellungsräume: Eli Harnik, ein in Königswinter lebender Israeli, und Gabriele Wasser erzählen über jüdischen Glauben und Gebräuche.

Quelle: General-Anzeiger vom 23. Mai 2007