Sonderausstellung

 Brückenhofmuseum

Die Cohns kehrten nicht zurück
Am 1. Dezember wird für die ermordete jüdische Familie ein Stolperstein gesetzt. Gymnasiasten recherchierten

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Zu einem Gedankenaustausch mit Lothar Vreden (rechts) und Vertretern des Vereins für Geschichte und Kultur der Juden im Rheinland trafen sich die Gymnasiasten.
FOTOS: HOMANN/BRÜCKENHOF

von Roswitha Oschmann


OBERPLEIS. „Ich habe gesehen wie sie abgeholt wurden. Mit den nötigsten Sachen standen sie an der Straße." An jenem Tag im Juli 1942 ist Ida Weber aus Quirrenbach ihnen zum letzten Mal begegnet: den Nachbarn aus dem Haus Nummer 9 an der Neuenhofer Straße. Das Ehepaar David und Sophia Cohn wurde am 19. Juli mit sechs seiner neun Kinder zur Messe Köln-Deutz gebracht und tags darauf in den Transport nach Trostinec-Minsk gepfercht. Am 24. Juli 1942 löschten die Nazis diese jüdische Familie fast vollständig aus. Lediglich den drei ältesten Kindern Rosa, Toni und Hugo, gelang es, rechtzeitig auszuwandern.

„Die ermordeten Kinder waren in unserem Alter und jünger", sagen Stephanie Morche, Sarah Weber, Annika Mondry und Christoph Olbert ergriffen vom Schicksal der Cohns. Sie selbst sind 17 oder 18 Jahre alt und besuchen das Gymnasium am Oelberg und den Leistungskurs Geschichte. In ihrer Freizeit haben sie sich mit dem Leben von David Cohn und seiner Frau Sophia sowie Alfred (geboren 1925), Egon (1926), Benno Balduin (1928), Aloys Leo (1929), Paul Max (1931) und Frieda (1933) befasst. An die ermordeten Cohns sollen künftig Stolpersteine erinnern. Am 1. Dezember um 9 Uhr werden sie eingesetzt. Die Schüler wollen während dieser Zeremonie über die einstigen Quirrenbacher Mitbürger berichten.

Lothar Vreden vom Heimatverein Oberdollendorf-Römlinghoven, der die Verlegung der Stolpersteine in der Stadt Königswinter organisiert, hat die Jugendlichen dazu gewinnen können. Sie wälzten Literatur, und Sarahs Großmutter Ida Weber konnte der Enkelin sogar aus eigenem Erleben berichten. Die jetzt 79-Jährige besuchte mit Cohn-Kindern die Volksschule Eudenbach. Sie hatten einen gemeinsamen Schulweg. „Das waren ganz normale Kinder wie wir auch, wir spielten zusammen", teilte Ida Weber ihrer Enkelin mit.

Bereits im Jahr 1935 durften Alfred, Egon und Benno allerdings mehrere Wochen nicht zur Schule gehen, fanden die Gymnasiasten aus Unterlagen heraus. Um „den arischen Kindern" ungestörtes Lernen zu gewährleisten. Der Regierungspräsident teilte der Bürgermeisterei Oberpleis allerdings mit: Falls es den Kindern der Cohns nicht möglich sei, die private jüdische Schule besuchen, müssten sie weiterhin in der Volksschule unterrichtet werden. Alfred fand keine Lehrstelle. Die Familie Uhlenbroch seines Freundes Karl-Hermann gab ihm Arbeit. Der vor einigen Jahren verstorbene Heimatforscher schilderte einmal den Abschied von Alfred Cohn. „Er umarmte mich und sagte: ‚Ich komme nicht wieder.’“ Vorgeblich wurden die jüdischen Mitbürger aus dem Reich „nach dem Osten" evakuiert. Die meisten Juden aus dem Siebengebirgsraum waren lange vor den Transporten in die Vernichtungslager zunächst in so genannten Judenhäusern zusammengelegt und im Juni 1941 in das Arbeitslager Much, gebracht worden. Familie Cohn indes blieb bis zuletzt in Quirrenbach, denn im Amtsbezirk Oberpleis gab es keine „Judenhäuser".

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Seit 2007 liegt ein Stolperstein für Frieda Marx in Dollendorf.

Das Haus, in dem sie lebte, steht nicht mehr. „Es war ein kleines Fachwerkgebäude mit einem Schrägdach und über einen Fußweg erreichbar", hat Ida Weber erzählt. Der Landrat des Siegkreises hatte der Geheimen Staatspolizei mitgeteilt, es handele sich ohnehin um eine kleine, in einem schlechten Zustand befindliche Wohnung, die „von einem Arier erst nach gründlicher Instandsetzung wieder bewohnt" werden könne.

Der Familienvater, 1888 in Oberpleis geboren, hatte den Beruf des Metzgers erlernt. Er lebte zunächst in seinem Geburtsort, später in Sassenberg und ab 1930 in Quirrenbach. Seine Frau Sophia Windecker kam aus Lich. Dort wurden während des Ersten Weltkriegs Rosa und Toni geboren. Womöglich war David Cohn damals Soldat, denn wie viele Juden war auch er für das Vaterland in den Krieg gezogen. Später handelte er mit Lumpen, Altmetall und Porzellan.

Schließlich musste er im Steinbruch Hühnerberg arbeiten. Die Schüler: "Er wurde schikaniert, musste bei jedem Wetter draußen essen und war ohne festes Schuhwerk. Denn Familie Cohn war sehr arm." Von Ida Weber wissen die Gymnasiasten, dass Sophia Cohn zurückhaltend war und etwas von Kräutern verstand und bei Krankheit den Nachbarn half. Den acht Cohns konnte keiner helfen. Nach den Nachfahren der drei emigrierten Kinder sind die Schüler auf der Suche.

STOLPERSTEINE

Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt am 1. Dezember 2008 wieder Stolpersteine in Königswinter. Er beginnt um 9 Uhr in Quirrenbach, Plätzer Weg 10. Dort wird erinnert an David und Sophie Cohn mit ihren Kindern Alfred, Egon, Benno, Leon, Max und Frieda. Während der Verlegung werden Schüler des Gymnasiums am Oelberg die Daten der Familie und Auszüge ihrer Recherchen vortragen. Anschließend wird Demnig gegen 10.45 Uhr in Oberdollendorf, Heisterbacher Straße 150, einen Stein für Jacob Stromwasser verlegen. Er war das Pflegekind von Frieda Marx, für die dort seit 2007 ein Stolperstein Iiegt. Jacob wurde1941 mit zehn Jahren zusammen mit seiner Pflegemutter deportiert und in Minsk ermordet.

Quelle: General-Anzieger vom 22.11.2008

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