Sonderausstellung

 Brückenhofmuseum

Giordano und Gottfried Wagner in Rennenberg-Akademie

"Dieser Mann hat kein Humanum" - Gespräch über Vergangenheit von berühmter Komponisten-Familie Wagner

Von Roswitha Oschmann

wagner

Um Vergangenheitsbewältigung geht es im Gespräch mit Ralph Giordano (l.) und Goffried Wagner in der Rennenberg-Akademie. Foto: Homann

Oberdollendorf. "Er hat den typischen Wagner-Kopf, schaut ihn Euch nur mal an", meinte Ralph Giordano. Das Publikum in der Rennenberg-Akademie schmunzelte.


Und hörte gespannt zu, wie der Journalist und Schriftsteller seine erste Begegnung mit Gottfried Wagner schilderte. Dazwischen liegen beinahe zwanzig Jahre. "Als er damals sprach, habe ich gesehen, worauf er sitzt: auf der unbewältigten Vergangenheit seines Familien-Clans."

Ralph Giordano und Gottfried Wagner wurden Freunde seit jenen März-Tagen 1988. Jetzt waren sie gemeinsam Gäste von Max Raimund Schulze-Vorberg, der in sein Institut innerhalb der Reihe "Begegnung mit Autoren" eingeladen hatte. Mit dabei auch eine mütterliche Freundin Wagners, Bettina Fehr, die einst den Kontakt zwischen den beiden Männern herstellte.

Sie nämlich hatte dem Urenkel Richard Wagners die ihn so fesselnde Lektüre "Die zweite Schuld oder von der Last, Deutscher zu sein" von Ralph Giordano in die Hände gedrückt. Dem bewegenden Leseerlebnis folgte das Kennenlernen des Autors und dessen Rat: "Schreiben Sie Ihre Lebensgeschichte."

Gottfried Wagner, der 1947 geborene Sohn des Festspielleiters Wolfgang Wagner, hat es getan. Sein Buch hat den doppeldeutigen Titel: "Der nicht mit dem Wolf heult". Und es gibt einen Einblick in das Leben der Wagners, ihre Haltung während der Nazizeit, die Freundschaft zwischen Gottfried Wagners Großmutter Winifred und Hitler, der im Hause Wagner "Onkel Wolf" genannt wurde, und dem Familienzwist.

Da saßen also nun vor den Rennenberg-Besuchern der 84-jährige Mann mit jüdischer Mutter, der in seinem Buch "Erinnerungen eines Davongekommenen" sein Schicksal niederschrieb, und der Nachgeborene, der sich mit den Verwicklungen seiner Vorfahren beschäftigte und Schlussfolgerungen für sich zog.

"Sind Sie wirklich der Sohn von Wolfgang Wagner?" hatte Ralph Giordano damals gefragt und bedauert, Gottfried Wagner mit einer schlechten Meinung über dessen Vater konfrontieren zu müssen. "Dieser Mann hat kein Humanum.

Das halte ich aufrecht", sagte er bei der Veranstaltung, die unter dem Titel "Warum erinnern? Ein Gespräch über den Sinn von Memoiren" stand. Schulze-Vorberg wollte von Gottfried Wagner wissen, ob dabei der persönliche oder der historische Aspekt im Vordergrund gestanden habe.

"Familie Wagner ist ohne öffentlichen Aspekt nicht denkbar", sagte der Urenkel des Komponisten, dessen Werke alljährlich Scharen von Musikfreunden und Prominente aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu den Wagner-Festspielen nach Bayreuth locken. Das Erinnern müsse dahin führen, sich zu öffnen, meinte Wagner.

Er bedauerte, dass "da noch Schränke geschlossen sind" mit einer großen Menge Brief-, Foto- und Filmmaterial aus den Jahren 1922 bis 1945, das der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht würde. "Das ist Willkür mit historischem Material." Selbst jetzt bei der Nachfolgefrage würde dieses Thema nicht ausdiskutiert.

Gottfried Wagner, der über Kurt Weill und Bert Brecht promovierte, der in seinen Erinnerungen auch beschreibt, wie ihm der Vater sein berufliches Fortkommen erschwerte, der in Italien lebt, der als Jugendlicher auf Bilder und Filmrollen gestoßen war, die Hitler im Kreise der Familie Wagner zeigten, hakte nach, suchte Antworten.

"Was bringen Erinnerungen?" fragte der Gastgeber nun Ralph Giordano. Der antwortete schlicht: "Das Unehrliche wird keine Chance haben." Giordano, der Wagners Buch als "Gegenchronik zum offiziellen Bayreuth" betrachtet: "Was sich im Wagner-Clan getan hat, ist kein Singularum."

Und: "Bei Gottfried Wagner wird es eine Wunde bleiben." Richard Wagner sei "einer der übelsten Antisemiten" gewesen, dennoch liebe er dessen Werk "Tristan und Isolde"; ein großer Künstler müsse eben kein großer Humanist sein.

Dass es immer noch rechtsextrem motivierte Äußerungen gebe, zeige, wie wichtig die Erinnerung von Zeitzeugen sei, betonte Giordano, der in den 1980er Jahren für den WDR einen Film über die Juden von Königswinter gedreht hatte.

Damals hatte er auch Martha Steeg aus Oberdollendorf als Überlebende vor der Kamera, deren Sohn Günther er nun unter den Zuhörern begrüßte. Er habe die Absicht, das Tagebuch seiner Mutter zu veröffentlichen und auch etwas über seine Tante Friedelind, "das schwarze Schaf der Familie", zu schreiben, beantwortete Wagner eine Frage aus dem Publikum. "Ich sehe es als meine Aufgabe an, als kritische Stimme aufzutreten."

Quelle: General-Anzieger online vom 19.11.2007 

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