Sonderausstellung

 Brückenhofmuseum

Ein Erinnerungsstein für Karoline Levy

Kölner Künstler Gunter Demnig legt insgesamt vier "Stolpersteine" in Königswinter - Am 28. Juli 1942 wurde Günther Steegs Großmutter abgeholt, dann "haben wir nie wieder etwas von ihr gehört"

Von Roswitha Oschmann

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In der Toreinfahrt eingelassen: Auf dem Privatgrundstück an der Mühlenstraße 4 in Oberdollendorf erinnert der Stolperstein an die Großmutter von Günther Steeg. Foto: Handt

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Über seine "Stolpersteine" berichtet Gunter Demnig im Bungertshof. Den ersten Königswinterer Stein legt der Kölner Künstler für Karoline Levy.         Fotos: Homann

Königswinter-Oberdollendorf.
"Die Nazibonzen kamen mit einem schwarzen Auto. Es waren Leute von auswärts. Sie holten meine Großmutter ab. Wir haben alle geweint. Ich sehe meine Oma noch heute vor meinen Augen, wie sie eingestiegen ist. Die Nachbarn waren am Fenster, aber sie konnten ja nichts tun."

Günther Steeg schaut sehr ernst. Er ist nun selbst schon 77. Nur ein Jahr jünger als die Mutter seiner Mutter damals, am 28. Juli 1942. "Wir haben nie wieder etwas von ihr gehört." Karoline Levy wurde zunächst in das Auffanglager Köln-Müngersdorf gebracht, dann nach Theresienstadt deportiert.

Das erfuhr Günther Steeg nach dem Krieg von einer Gestapo-Sekretärin. Seit einigen Wochen weiß er, dass seine Großmutter bereits am 11. August 1942 in Theresienstadt ihr Leben lassen musste, "wahrscheinlich in der Gaskammer".

Denn nun erst hörte er, dass ihr Name mit dem Todesdatum auf einem Gedenkstein in Yad Vashem in Israel zu finden ist. Nun wird an Karoline Levy auch in Oberdollendorf erinnert. Vor dem Haus an der Mühlenstraße, in dem sie nach ihrer Hochzeit 1892 mit Bernhard Levy lebte, legte der Kölner Künstler Gunter Demnig einen Stolperstein.

Der erste, der in der Stadt Königswinter gesetzt wurde. "So ein bisschen ist es, als hätte meine Großmutter nun auch endlich einen Grabstein", sagt Günther Steeg. "Ich bin überwältigt von dem Andrang, der hier herrscht, von der Anteilnahme vieler Dorfbewohner und auch der zahlreichen Jugendlichen."

Steeg war in der Vorbereitung dieser Aktion, die von Pfarrer Georg Kalckert und dem Heimatverein Oberdollendorf ausgegangen war, mit Schülern der Jugenddorf-Christophorusschule unterwegs.

Er hat ihnen Schauplätze gezeigt, sie durch die Ausstellung über jüdisches Leben im Brückenhof-Museum geführt, in der auch ein Foto seiner Großeltern ausgestellt ist.

Sie betrieben eine Metzgerei an der Mühlenstraße. Das Ehepaar musste das Geschäft Ende 1934 schließen. "Es durfte ja keiner mehr bei ihnen kaufen." Steeg schüttelt den Kopf. "Ich entsinne mich noch genau an den Laden, das Schlachthaus, an den Großvater, obwohl ich doch erst vier war, als Ende war."

Das Ehepaar Levy hatte fünf Kinder. Steegs Mutter Martha war die einzige Tochter. Durch ihre Eheschließung mit Friedrich Steeg aus Honnef konvertierte sie zum katholischen Glauben.

Sie überlebte die Nazizeit nur mit Glück und dank ihrer guten Freundin Wilma Groyen aus Niederdollendorf, bei der sie sich verstecken durfte. Günther Steeg fand dort ebenfalls Unterschlupf.

"Die Familie machte neben den schrecklichen auch einige gute Erfahrungen. An der Mühlenstraße gab es zwei weitere Geschäfte. Sie ließen meiner Großmutter heimlich Lebensmittel zukommen, da sie als Jüdin doch keine Marken erhielt. Die Leute mochten sie. Kinder erzählten mir später, dass sie ihnen Süßigkeiten zugesteckt hatte", berichtet Steeg.

"Ich erledigte meine Schulaufgaben immer bei ihr. Meine Mutter betreute meine Oma, denn sie war schwer krank. Trotzdem wurde sie abgeholt."

Ein Schicksal, das Karoline Levy mit 1 074 von insgesamt 1 163 Menschen ihres Transportes von Köln nach Theresienstadt teilte. Von ihren fünf Kindern überlebten den Holocaust nur Tochter Martha und Sohn Erich, der 1938 nach Amerika flüchtete.

Sohn Josef wurde in Auschwitz vergast, Sohn Max starb an den Folgen der KZ-Haft in Theresienstadt im August 1945. Sohn Otto fiel im Ersten Weltkrieg. "Ich bedaure, dass meine Mutter, die 1992 dann 91-jährig verstarb, die Verlegung dieser Erinnerungssteine nicht mehr erleben konnte", so Günther Steeg.

Er stößt sich am Begriff "Stolperstein". Der frühere Buchhalter bei den Didier-Werken und Zeitungsreporter wählt lieber das Wort "Erinnerungsstein".

Gunter Demnig setzte noch drei weitere Steine: für Frieda Marx an der Heisterbacher Straße 150 und für Moritz und Settchen Baehr an der Friedensstraße 5. Die jetzigen Hausbesitzer erklärten sich einverstanden mit dem Anliegen der "Planungsgruppe Stolperstein" in Königswinter.

Steeg freut sich: "Die Familie Kauert, der das Haus meiner Großeltern gehört, wünschte sich sogar, dass der Stolperstein in der Toreinfahrt, also auf Privatgrundstück, seinen Platz findet."

Im Bungertshof sprach Demnig später über seine Idee, für die Opfer der Naziwillkür Steine mit Namen und Daten anzubringen. An mehr als 10 000 Menschen erinnern bisher 10 000 Steine in über 200 Ortschaften in Deutschland, Österreich und Ungarn.

Quelle: General-Anzeiger online vom 17.05.2007